Kurzgeschichte: Das Monster
Hallo liebe Lesedetektive,
ich hatte bereits einmal angekündigt, dass ich gerne Kurzgeschichten schreibe. Nun möchte ich gerne die erste hier veröffentlichen. Ich bin gespannt, ob sie euch gefällt und würde mich sehr über Feeback freuen :)
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Das
Monster
Es
war wieder da. Er wusste es einfach. Er spürte, wie Es sich langsam rührte,
sowie die Schritte seiner Mutter am Ende des Flures verklungen waren. Spürte,
wie Es sich unter seinem Bett reckte und die scharfen Krallen ausfuhr. Er
hörte, wie Seine Gelenke knackten, die Pfoten über den Holzboden scharrten und
Kratzer darin hinterließen. Doch das Schlimmste war, dass er spürte, wie Es
sich nach seiner Angst verzehrte, sich begierig über die Lippen leckte und
voller Vorfreude von unten über seine Matratze strich. Er konnte förmlich
hören, wie Sein Magen knurrte.
Es war wieder da. Das Monster. Lähmende Furcht
legte sich über seinen Körper, er konnte sich nicht bewegen, obwohl er am
liebsten weglaufen wollte. Doch wenn er wegliefe, würde Es wahrscheinlich
blitzschnell unter seinem Bett hervorspringen und seine Beine packen. Also
blieb er ganz leise unter seiner Bettdecke liegen, während er das Gefühl hatte,
dass es immer kühler in seinem Zimmer wurde. Und dennoch lief ihm kalter
Angstschweiß den gesamten Körper entlang. Er dachte an die Tierdokumentation,
die er neulich gesehen hatte, in der die Raubtiere den Schweiß ihrer Beute
riechen konnten und ein großer Klumpen bildete sich in seinem Magen. Das
Monster knurrte einmal kurz und er unterdrückte mühevoll ein Wimmern.
Schnell
klammerte er sich ganz fest an die kleine Giraffe, die sein Bruder ihm zu
seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Er erinnerte sich noch gut daran,
wie sein Bruder ihn abends in sein Zimmer getragen hatte und ihm dann das Stofftier
in den Arm gelegt hatte. „Die kleine Giraffe wird dich immer beschützen. Egal,
ob ich gerade bei dir bin oder nicht. Sie ist deine Schutzgiraffe.“, hatte er
ihm lächelnd zugeflüstert. Und er hatte zurückgeflüstert: „Aber du wirst doch
immer bei mir bleiben und mich beschützen, oder?“ „Natürlich. Das werde ich.
Deine Giraffe wird mir immer helfen, alles Böse zu bekämpfen. Sie wird
sozusagen mein kleiner Assistent sein.“ Dann hatte er ihm einen Gutenachtkuss
gegeben und er war friedlich eingeschlafen und hatte davon geträumt, dass sein
Bruder ein Engel sei. Strahlend hell hatte er geleuchtet und die kleine Giraffe
war neben ihm hergeflogen.
In dieser Nacht war Das Monster zum ersten Mal
aufgetaucht. Doch dann war sein Bruder angeflogen gekommen und hatte mit seinen
Händen ein strahlendes Licht erzeugt, das Das Monster vertrieben hatte. Seitdem
war Das Monster immer häufiger aufgetaucht. Es hatte gefaucht und gekratzt,
doch immer war sein Bruder rechtzeitig herbeigeflogen, um Es mit seinem Licht
zu vertreiben. Immer, wenn Das Monster weggesprungen war, hatte er sich die
Augen zugehalten, um Es nicht sehen zu müssen. Doch er stellte Es sich grausig
vor, mit schwarzem, zottligem Fell und leuchtend roten Augen.
Erneut
fauchte Das Monster, diesmal aber schon weitaus ungeduldiger. Mittlerweile
zitterte er am ganzen Körper und die kleine Giraffe hielt er fest
zusammengequetscht zwischen seinen Fingern. Auf einmal bewegte sich Das Monster
unter seinem Bett und er spürte Fell seinen nackten Fuß entlangstreifen. Er
schluchzte auf. Warum kam sein Bruder nicht, um ihn zu beschützen? Vor lauter
Verzweiflung rollten ihm lautlos Tränen über die Wangen. Doch dann konnte er es
nicht mehr aufhalten und weinte schließlich immer lauter.
Sofort
kamen seine Eltern in sein Zimmer gestürzt. Seine Mutter nahm ihn in den Arm
und sein Vater strich ihm beruhigend über das Haar. Doch warum verstanden sie
denn nicht? Sie konnten Das Monster nicht vertreiben, indem sie ihn trösteten.
Er hörte Das Monster unter seinem Bett triumphierend schnurren und erneut
musste er losschluchzen. Er erzählte seinen Eltern von Dem Monster und sie
schauten unter dem Bett nach. Doch sie fanden nichts. Immer wieder zeigte er
ihnen die Stelle unter dem Bett, aber noch immer sahen sie Es nicht. Er traute
sich nicht, selbst nachzusehen, aus Angst davor, Es anschauen zu müssen. Doch
er spürte Es. Denn Es war wieder da.
Doch
offensichtlich war Es erwachsenenscheu und hatte sich zurückgezogen bis auch er
Es nicht mehr hörte. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, strich ihm seine
Mutter noch einmal das Haar aus dem Gesicht und machte das kleine Nachtlicht
an. Dabei sagte sie, dass Monster Angst vor Licht hätten und er somit in
Sicherheit sei. Doch sie verstanden nicht. Kein anderes Licht außer dem seines
Bruders konnte Das Monster vertreiben.
Nachdem
er sich davon überzeugt hatte, dass Das Monster nicht mehr unter seinem Bett
war, rollte er sich zu einer Kugel zusammen und schlief ein. Doch irgendwann
wachte er plötzlich wieder auf. Denn er hatte etwas gehört.
Die
Wohnung schien komplett im Dunkeln zu liegen. Offensichtlich hatten seine
Eltern sein kleines Nachtlicht vor dem Schlafengehen wieder ausgeschaltet. Und
auch kein Geräusch war zu hören, bis auf eine Polizeisirene draußen, die
allmählich immer leiser wurde bis sie schließlich gänzlich verschwand. Und
mitten in diese Stille hinein vernahm er das wilde Knurren Des Monsters, das
von seiner Beute abgebracht worden war und nun die Eckzähne schärfte, um
Vergeltung zu üben. Wieder streckte Es sich unter seinem Bett, ließ seine
Gelenke knacken, dehnte die Muskeln, schlug Furchen in den Holzboden unter
seinem Bett und leckte sich erwartungsvoll die Lefzen.
Hastig
suchte er die kleine Giraffe in seinem Bett, um sich an ihr festzuklammern.
Doch er konnte sie nirgends finden. Panisch suchten seine Augen das vom
Mondlicht beleuchtete Zimmer ab. Schließlich fanden sie die Giraffe etwa
eineinhalb Meter vom Bett entfernt. Kalter Schweiß brach ihm aus, als ihn die
Erkenntnis traf, dass er nun vollkommen schutzlos Dem Monster ausgeliefert war.
Vorsichtig setzte er sich auf und streckte sich nach dem kleinen Stofftier.
Doch er war einfach zu klein, als dass er die Giraffe hätte erreichen können.
Verzweifelt lehnte er sich zurück in sein Kissen. Warum war sein Bruder noch
nicht herbeigeflogen? Wenn sein Bruder da wäre, wüsste er, was zu tun ist. Sein
Bruder war immer stark, er hatte vor nichts Angst.
Entschlossenheit
machte sich in ihm breit. Er hatte keine Angst. Er war genau so stark wie sein
Bruder. Er schlug die Bettdecke zurück, sprang auf die Füße und sprintete zu
der kleinen Giraffe. Dann schnappte er sie sich und drehte sich um. Dabei
schloss er die Augen, um Das Monster nicht ansehen zu müssen. Doch seine
Drehung ging schief, er verlor das Gleichgewicht und rutschte aus. Unbewusst
öffnete er die Augen und sah Das Monster.
Es
war genauso wie er Es sich vorgestellt hatte. Es hatte genau dieselben bösen
roten Augen und dasselbe schwarze zottelige Fell wie in seinem Traum. Drohend
baute Es sich vor ihm auf, zog die Lefzen zurück und entblößte eine Reihe
scharfer Zähne. Als Es knurrte, erwachte er aus seiner Starre. Er öffnete den
Mund, um zu schreien, doch genau in diesem Augenblick flog seine Zimmertür auf
und sein Bruder kam hereingeflogen. Mit einem wütenden Gesichtsausdruck hob er
die Hände über den Kopf und tauchte sein Zimmer in ein wunderschönes,
strahlendes Licht. Das Monster vor ihm winselte noch einmal kurz und verschwand
dann wie ein Schatten durch das Fenster.
Lächelnd
trat sein Bruder auf ihn zu, hob ihn hoch und legte ihn behutsam wieder zurück
in sein Bett. Die Giraffe legte er ihm wie damals in die Arme. Anschließend
strich er ihm vorsichtig über den Kopf. „Wieso bist du erst jetzt gekommen?“
„Ich hatte noch etwas zu erledigen. Aber jetzt bin ich ja da. Es ist alles
wieder gut. Deine kleine Giraffe hat mich gewarnt und jetzt bist du in
Sicherheit.“ „Ich bin so froh, dass du bei mir bist.“ Daraufhin lächelte sein
Bruder. „Bleibst du bei mir?“ „Das kann ich leider nicht.“ „Warum nicht?“ Doch
sein Bruder antwortete nicht. Ein letztes Mal gab er ihm einen Gutenachtkuss
auf die Stirn und stand auf. „ Bitte bleib bei mir!“ „ Ich bin immer bei dir.“,
sagte sein Bruder lächelnd, bevor er aus dem Fenster in die tiefe Nacht
hinausflog.
Im
Wohnzimmer hörten seine Eltern ihn im Schlaf den Namen seines verstorbenen
Bruders rufen.
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Wie hat sie euch gefallen? Ich freue mich über Kommentare :)
ganz tolle Kurzgeschichte mit viel Spannung! :)
AntwortenLöschenLieber Lesedetektiv, ich wusste gar nicht, dass du auch selbst schreibst :), die Kurzgeschichte hat eine tolle Spannungskurve und ein völlig überraschendes Ende, so liebe ich das <3 ... weiter so, mehr davon !!!
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